Wie ein Grabmal entsteht, Teil 5...

Zugegeben, auch wir müssen manchmal Grabsteine herstellen, über deren gestalte-risches Niveau man zumindest geteilter Meinung sein kann.

In diesem Fall kam unsere Kundin, hoch- betagt und dennoch bei glasklarem Verstand, mit einer äußerst präzisen Vorstellung von dem Grabstein für ihren im Alter von 38 Jahren verstorbenen Sohn.

Da die Dame mittlerweile selbst gestorben ist, meinen wir, diesen etwas kuriosen Fall hier ausführlich schildern zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, irgendwelche Gefühle oder Persönlichkeitsrechte zu verletzen.

Dieser Auftrag mag als Beispiel dafür dienen, wie schwierig es mitunter sein kann, einen Grabstein zu gestalten.

 

Umso mehr, wenn es nicht nur darum geht, einfach "einen Stein hinzustellen".

Es ging hier darum, ein Erinnerungsstück mit sehr individueller Symbolkraft zu schaffen.

Eine Symbolik, die sich dem außenstehenden Betrachter (noch dazu wenn er als "Fachmann" ausschließlich ästhetische Maßstäbe ansetzt) nicht so ohne Weiteres erschließt - aber: ist das unbedingt nötig?

Das Ergebnis mag von manch einem belächelt werden - aber ist ein Grabstein das richtige Objekt, um über Kitsch und Geschmack zu streiten ?

Das gewünschte Material für dieses Grabmal stand längst fest, und auch bzgl. der Form, der Größe und der Schriftart war die Entscheidung getroffen; so dass - leider - unsere Einflußmöglichkeiten auf die Gestaltung sehr begrenzt blieben..


1. Es sollte eine Stele aus schwarzem Granit sein:

Mit einer Bronzeschrift und einer Vielzahl von Ornamenten mit offenbar symbolhafter Bedeutung, nämlich ein Kreuz, ein Herz, ein Vogel, ein Schiff, eine Sonne, darüber hinaus ein Schmetterling und einiges Anderes mehr.
Wir fertigten die nebenstehenden Skizzen und diverse weitere an, die jedoch keine Akzeptanz fanden ...


2. Stattdessen kam die Kundin mit eigenen Skizzen. Unsere Aufgabe bestand zunächst darin, diese in "natursteingerechte Vorlagen" zu verwandeln. So wurde z.B. aus dieser Zeichnung...

das folgende Ornament...


und aus dieser Vorlage...

ein solches Schiff und ein Palmenzweig.


3. Da die Kundin ziemlich genaue Vorstellungen hatte, die nur schwer zu erfüllen waren und ihre Ideen zudem einer ständigen Wandlung unterlagen, gestaltete sich der Entwurfsprozess ziemlich langatmig und mühsam für alle Beteiligten.
Parallel dazu füllten sich übrigens unsere Aktenordner mit Anwaltskorrespondenz und Aktennotizen über
diverse Verhandlungen mit der Friedhofsverwaltung, und schwollen zu einem beachtlichen Umfang an.
Denn der Stein, an dem wir da fleißig entwarfen, entsprach nicht einmal ansatzmäßig den für das Grab geltenden Vorschriften. Täglich ging eine Vielzahl von Faxen hin und her, so dass man meinen konnte, wir planten ein Mehrfamilienhaus.

Wie wir erst jetzt erfuhren, war darüber, bevor wir uns der Sache angenommen hatten, bereits ein Kollege von uns verzweifelt und hatte das Handtuch geworfen.
Aber auch wir hatten mittlerweile so viel Zeit in dieses Projekt investiert, dass wir es ab einem gewissen Punkt einfach durchziehen wollten.


4. Als wir in der Illusion lebten, dass nun ja wohl alles klar sei und die Genehmigung in greifbarer Nähe lag, gab es plötzlich doch noch einen ziemlichen Wirbel, und zwar bezüglich der Inschrift.
Dass es unbedingt eine Bronzeschrift sein sollte, nun gut, damit hatten wir uns abgefunden. Wir waren nur davon ausgegangen, dass diese selbstverständlich in braunem Farbton ausgeführt werden würde, da eine andere von der Friedhofsverwaltung nie und nimmer genehmigt werden würde.
Unsere Kundin hingegen war genauso selbstverständlich davon überzeugt, dass hier nur eine GOLDENE Schrift in Frage kam. Dieser neue Konflikt, in dessen Verlauf wir auch noch unseren Bronzeschriftlieferanten, Firma Matthias aus Berlin zur Verzweiflung brachten, drohte alles zu kippen - bis wir uns endlich diplomatisch auf einen "Goldbronze-Farbton" einigten.
Der wurde dann sogar von der Verwaltung, inzwischen müde gekämpft und weiterer Prozessandrohungen leid, resigniert abgesegnet.
Ach ja: Die Tatsache, dass unsere Kundin kein Wort Deutsch sprach und alles mit Hilfe eines Dolmetschers abgewickelt werden mußte, hat die Verhandlungen übrigens nicht gerade erleichtert.
Aber irgendwann hatten wir sie dann, unsere Genehmigung!


5. Bevor die Schrift endgültig eingesetzt wurde, wurde alles peinlichst genau zu Probe auf Styropor montiert und mit der Kundin abgestimmt. (Ihre Anwältin erhielt ein "Beweisphoto"...)

6. Die Qualität der Aufnahmen passt teilweise leider zur Entstehungsgeschichte des Objektes. Entschuldigung! Sie stammen aus dem Vor-Digital-Zeitalter. 

Als Fazit dieses Abenteuers bleibt festzuhalten:

Trotz allen Ärgers und aller Aufregung bleibt festzuhalten, dass diese Mutter dank ihrer Beharrlichkeit und unserer Geduld genau DEN Grabstein für Ihren Sohn setzen konnte, den sie haben wollte.

Und wenn man bedenkt, dass wir damit einen nicht unerheblichen Teil zu ihrer Trauerarbeit beigetragen haben, so war es der Mühe wert.


 

 

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